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Stadt Remscheid

Schulstraßen: rechtliche Hintergründe

Hintergrund

Zu den Bring- und Holzeiten wird es insbesondere an den Grundschulen häufig sehr unübersichtlich. Viele Eltern bringen ihre Kinder mit dem Auto, parken teilweise verkehrswidrig und schaffen unübersichtliche Situationen. Durch Wende- und Rangiermanöver werden die Kinder und Jugendlichen teilweise massiv gefährdet.

Appelle an die Eltern oder Schwerpunktkontrollen von Polizei und Ordnungsbehörden reichen nicht aus, um die Situation zu verbessern. In der Folge kommen an den betroffenen Schulen immer weniger Kinder zu Fuß oder mit dem Fahrrad zur Schule und der Verkehr nimmt weiter zu. Es entwickelt sich ein Kreislauf, in dem immer mehr Elterntaxis zu beobachten sind und die Sorge aufgrund der hohen Verkehrsmengen steigt.

Um dem Problem zu begegnen, sollte das Instrument der „Schulstraße“ näher beleuchtet werden.

Was ist eine Schulstraße?

Unter Schulstraßen ist die temporäre Sperrung einer Straße für den Kfz-Verkehr im Nahbereich einer Schule zu den maßgeblichen Bring- und Holzeiten zu verstehen. Die Einrichtung einer Schulstraße dient daher in erster Linie der Verkehrssicherheit von Schulkindern.

Mit dem Pilotprojekt Schulstraßen soll getestet werden, wie eine Reduzierung des Verkehrs vor den Schulen mit möglichst geringen Einschränkungen für die Anwohnenden erreicht werden kann. Im besonderen Fokus steht hierbei die Abweisung des Bringverkehrs. Der Holverkehr wird nach Rücksprache mit den Schulen vernachlässigt, da durch die unterschiedlichen Endzeiten der Schule und der OGS keine massive Ballung von Elterntaxis zu dieser Zeit besteht.

Wie setzen wir die Schulstraßen in Remscheid um?

In Remscheid wurden Maßnahmen gesucht, die sich mit einfachen Mitteln umsetzen lassen. Eine tägliche physische Sperre wurde dabei als wirksam, aber in der Praxis für Verwaltung bzw. Schulen als nicht durchführbar angesehen.

Um die Einschränkungen für die Anwohnenden auf ein Minimum zu reduzieren, wurde eine Beschilderung mit dem VZ 260 „Verbot für Kraftfahrzeuge“ gewählt. Damit können die Anwohnenden jederzeit ausfahren und der Radverkehr ist zugelassen. Um eine unbürokratische Einfahrt der Anwohnenden zu ermöglichen, wurde während der Verkehrsversuchs von der Erstellung von Ausnahmegenehmigungen abgesehen. Sollten Anwohnende während der Verbotszeit einfahren wollen, könne diese sich mittels Personalausweis gegenüber den Ordnungskräften ausweisen.

Eine Beschilderung mit VZ 267 „Verbot der Einfahrt“ scheidet aus, da eine zeitliche Beschränkung für dieses VZ in der StVO nicht vorgesehen ist.

Ein Verkehrsverbot mit dem Zusatz „Anlieger frei“ wäre lediglich geeignet Durchgangsverkehre zu unterbinden, nicht jedoch den Hol- und Bringverkehr vor Schulen, da Besucher von Grundstücken nicht erfasst werden.

Die jeweiligen Sperrzeiten (7-8h) wurden mit den Schulen abgestimmt. Als Projektdauer wurde zunächst ein Jahr festgesetzt und eine Aufgabenteilung festgelegt.

Wo werden die Schulstraßen eingerichtet?

Das Pilotprojekt soll mit zwei Schulen, an denen mindestens eine einfache Gefährdung der Schulkinder beobachtet wurde, geplant werden:

  • GGS Walther-Hartmann, Sedanstraße
  • GGS Eisernstein, Dachsweg

Beide Schulen liegen in einer teilweise engen Sackgasse. D.h., dass die einfahrenden Eltern wenden bzw. rangieren und den gleichen Weg wieder zurückfahren müssen. Die Schulen, der KOD und die Polizei berichten von teilweise chaotischen Zuständen. In der Sedanstraße ist die Sackgasse so eng, dass Begegnungsverkehr nur in einem Haltverbotbereich möglich ist. Zudem wurde neben der Grundschule eine Kita in dem Sackgassenbereich gebaut, die in naher Zukunft vollzügig ausgebaut ist.

Rechtliche Würdigung

Den Begriff der Schulstraße kennt die Straßenverkehrsordnung so nicht. Dennoch gibt es im Straßenverkehrs- und Straßenrecht Ansatzpunkte eine Schulstraße einzurichten.

Das in Remscheid gewählte Instrument zur Umsetzung der Schulstraße ist das VZ 260 - Verbot für Kraftfahrzeuge mit dem Zusatz 1042-38 – werktags außer samstags, 7-8h.

In Remscheid werden Schulstraßen zunächst als Verkehrsversuch gem. § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6, zweiter Halbsatz StVO angeordnet.

Verkehrsversuche zur Erprobung geplanter verkehrssichernder oder verkehrsregelnder Maßnahmen sind gemäß § 45 Absatz 9 Satz 4 Nr. 7 StVO vom Nachweis der besonderen bzw. qualifizierten Gefahrenlage nach § 45 Absatz 9 Satz 3 StVO befreit.

Dennoch gilt hier die Generalklausel des § 45 Absatz 1 Satz 1 StVO sowie die konkretisierende Maßgabe des § 45 Absatz 9 Satz 1 StVO, weshalb für die Anordnung von Verkehrsversuchen eine „einfache“ oder „konkrete“ Gefahr für die Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs vorliegen muss und das zwingende Erfordernis der Anordnung aufgrund der besonderen Umstände nachzuweisen ist.

Dass spezifische Gefahren für Schülerinnen und Schüler durch den Straßenverkehr gesehen werden, zeigt die StVO an verschiedenen Stellen.

Schulen zählen zu den sensiblen Einrichtungen, für die zur Anordnung einer streckenbezogenen Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h in § 45 Abs. 9 Satz 4 Nr. 6 StVO bereits eine Ausnahme zum Nachweis der qualifizierten Gefahrenlage besteht. Diese Ausnahme wurde eingeführt, damit in sensiblen Bereichen wie Schulen oder Kindergärten die Gefahrenlagen nicht mehr mit Unfallstatistiken oder ähnlichen objektiven Fakten begründet werden müssen.  Dies ergibt sich aus der Begründung der StVO und der Verwaltungsvorschrift zu diesem Absatz.

Aus der Begründung ergeben sich weitere spezifische Gefahren für Kinder und Jugendliche vor Schulen:

  • Grundschulkinder sind altersbedingt noch nicht in der Lage, allgemeine Gefahren des Straßenverkehrs und hier insbesondere Geschwindigkeiten herannahender Fahrzeuge richtig einzuschätzen,
  • Ältere Kinder und Jugendliche, die mit dem Rad zur Schule fahren, bewegen sich dort zudem im „Pulk“, sind als Verkehrsteilnehmende oft abgelenkt und einer gewissen Gruppendynamik ausgesetzt,
  • Weiterhin ist je nach Größe der Einrichtung auch ein erhöhter Verkehr zu verzeichnen, Eltern setzten ihre Kinder an den Einrichtungen ab oder müssten Kinder bei offener Fahrzeugtür in Kindersitzen sichern.

Weiterhin muss die Maßnahme verhältnismäßig sein, d.h. geeignet, erforderlich und angemessen.

Geeignet ist eine Maßnahme, wenn der verfolgte Zweck mit der Maßnahme erreicht wird. Der verfolgte Zweck ist im vorliegenden Fall die Förderung der Verkehrssicherheit der Schulkinder und die Leichtigkeit des Fuß- und Fahrradverkehrs.

Dass mit dem Heraushalten des Fahrzeugverkehrs zu den Bringzeiten der Zweck der Verkehrssicherheit erreicht bzw. erhöht wird, steht sicherlich außer Frage. In diesem Zusammenhang muss aber auch sichergestellt sein, dass es keine Ausweichverkehre gibt und die Gefahr lediglich verschoben wird.

Vor dem geplanten Sperrbereich in der Sedanstraße befinden sich heute bereits 3 Eltern-Kind-Haltestellen. Somit besteht für die Eltern ausreichende Möglichkeiten, ihre Kinder für jede Fahrtrichtung herauszulassen.

Vor dem geplanten Sperrbereich an dem Dachsweg, soll für beide Fahrtrichtungen eine Eltern-Kind-Haltestelle eingerichtet werden.

Weiterhin muss die Maßnahme erforderlich sein, das heißt, es darf kein gleich geeignetes milderes Mittel geben. Bei unübersichtlichen Verhältnissen vor einer Schule mit viel „Elterntaxiverkehr“ könnte als milderes Mittel ein absolutes Haltverbot in Frage kommen. Ebenso kommt auch eine streckenbezogene Geschwindigkeitsbeschränkung auf 30 km/h nach § 45 Abs. 9 Satz 4 Nr. 6 StVO in Frage. Beide Maßnahmen wurden in der Vergangenheit aber bereits umgesetzt, haben aber keinen Erfolg gebracht. Diese alternativen Maßnahmen sind somit nicht gleich geeignet, die Elterntaxis aus den Sackgassen herauszuhalten. Der Schutz der Sicherheit der Kinder im Verkehr und ihr leichtes Vorankommen wird auch durch Kfz gefährdet, die mit 30 km/h durch die Straße fahren.

Abschließend muss die Maßnahme angemessen sein, d.h., dass der beabsichtigte Zweck nicht außer Verhältnis zu der Schwere des Eingriffs stehen darf. Hier geht es um eine Güterabwägung z.B. zwischen den Belangen der Verkehrssicherheit und den Teilhaberechten der Kinder und den Rechten von Anwohnenden. Neben den Leuten, die in der Straße wohnen, sind im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung auch die Auswirkungen auf die umliegenden Straßen mit eventuellen Ausweichverkehren zu berücksichtigen.

Grundsätzlich hat das Bundesverwaltungsgerichts wiederholt klargestellt, dass es kein subjektives Recht auf einen wohnortnahen Parkplatz im öffentlichen Straßenraum gibt.

Wie aber oben bereits beschrieben, können die Anwohner jederzeit ein- und ausfahren. Bei der Einfahrt müssen sie im Falle der Kontrolle lediglich ihren Personalausweis vorzeigen. Zudem wird mit dem Zusatz „werktags außer samstags, 7-8h“ sichergestellt, dass keine Feiertage in der Woche und keine Wochenenden betroffen sind. Weiterhin sind nur die Bringzeiten (1h) betroffen. Die Holzeiten wurden durch die Schulen nicht als problematisch angesehen. Der Eingriff in die Rechte der Anwohnenden ist somit minimal und muss hinter den Belangen der Verkehrssicherheit der Kinder zurückstehen.

Im Ergebnis ist die Maßnahme verhältnismäßig.

Erläuterungen und Hinweise

Bildnachweise

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